Mutagene Verunreinigungen in Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln - Untersuchungsergebnisse bis 2022
Hintergrund
Nachdem zwischen 2018 und 2019 eine große Anzahl von Proben bestimmter Blutdruck senkender Arzneimittel (ACE-Hemmer, sogenannte „Sartane“) auf potenziell krebserregende Nitrosamine untersucht wurden, zeigten sich Hinweise, dass diese Problematik auch weitere Wirkstoffe betrifft. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden einer potenziellen Verunreinigung von Ranitidin, einem Antacidum, mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) begann das LGL mit den Untersuchungen. In einzelnen Proben konnten Nitrosaminwerte bis zu 50-fach oberhalb des maximal zulässigen Grenzwerts von 0,16 ppm gemessen werden. Infolgedessen erfolgte ein Rückruf sämtlicher Chargen durch die zuständigen Behörden. Als Ursache für die Verunreinigung wird ein zeitabhängiger Abbau des Wirkstoffs unter Bildung von NDMA postuliert. Nach weiteren Verdachtsmeldungen erfolgten Untersuchungen an den Wirkstoffen Memantin und Temozolomid, jedoch ohne positivem Befund. Im Wirkstoff Bicalutamid entdeckte das LGL lediglich in einer Charge sowohl NDMA als auch N-Nitrosodiethylamin (NDEA), beide Nitrosamine jedoch unterhalb des entsprechenden Grenzwerts.
Metformin
Aufgrund der Einbindung des LGL in das Netzwerk des Europäischen Direktorats für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM), wurden unmittelbar nach der ersten Meldung auch Proben zu Metformin, ein Antidiabetikum, auf Nitrosamine untersucht. Im Zuge der Untersuchungen trat hervor, dass die Ursache der Kontamination in Metformin nicht, wie bei den Sartanen, durch den Wirkstoff bedingt ist. Im Gegensatz dazu fanden sich jedoch in den Fertigarzneimitteln (hier: Filmtabletten) NDMA-Konzentrationen, teils mit Überschreitung des Grenzwerts von 0,032 ppm (bezogen auf eine maximale Tagesdosis von 3.000 mg Metformin). Das LGL konnte dazu beitragen den Mechanismus dieser Kontamination mit aufzuklären. So entsteht das Nitrosamin NDMA durch die Reaktion von Dimethylamin, einer bekannten Verunreinigung aus der Wirkstoffsynthese, mit Nitrit, welches durch verschiedene Hilfsstoffe des Tablettierungsprozesses eingebracht werden kann. Insgesamt untersuchte das LGL 256 Proben in diesem Zusammenhang.
Weitere potenziell mutagene Kontaminanten
Im September 2020 erhielt das LGL erste Hinweise darauf, dass wiederum die Blutdruck senkenden Arzneimittel aus der Klasse der Sartane von einer weiteren potenziell mutagenen Verunreinigung betroffen sind. Die im Rahmen des Syntheseprozesses entstehenden Kontaminanten sind diesmal nicht den Nitrosaminen zuzuordnen, sondern sind strukturell mit dem Wirkstoffmolekül verwandt. Sie enthalten eine sogenannte „Azidomethyl“-Struktur, welcher die Ursache für die Mutagenität zugeschrieben wird. Zur Bestimmung dieser Verunreinigungen wurden am LGL mehrere LC-MS Methoden entwickelt und insgesamt 131 unterschiedliche Wirkstoffproben untersucht. Auch hier wurden die Ergebnisse an die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden gemeldet.
Zusammenfassung
Nach Auftreten der Nitrosaminproblematik richteten sich die regulatorischen Anforderungen im Bereich der Arzneimittel vermehrt auf die Bestimmung von möglicherweise krebsauslösenden Verunreinigungen im Spurenbereich. Ein entsprechendes Verfahren der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) nach Artikel 5(3) der Verordnung (EU) 726/2004 mit Bezug auf Nitrosamine wurde gestartet und in diesem Zusammenhang müssen von allen Zulassungsinhabern Risikobewertungen erhoben sowie Maßnahmen zur Minderung der Nitrosaminbildung getroffen werden. Dieser Prozess findet seinen Abschluss im September 2022.
Der Einfluss der gesamten Problematik auf die Probenzahlen der Arzneimitteluntersuchungsstelle (OMCL) am LGL wird im nachfolgenden deutlich. Durch die Nitrosaminkrise stieg die Zahl der Verdachtsproben und damit auch die Gesamtprobenzahl im Jahr 2018 sprunghaft an und erreicht 2019 den Höhepunkt, als annähernd sämtliche Marktchargen von Sartanen im Zuständigkeitsbereich bayerischer Überwachungsbehörden auf Nitrosamine untersucht wurden. Das Absinken in den Folgejahren lässt sich durch eine koordiniertere und zielgerichtetere Probenahme in Abstimmung mit den Regierungen in Bayern bzw. dem EDQM erklären. Noch immer liegt die Anzahl an Untersuchungen über dem Niveau der Jahre 2015 bis 2017.
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