Sozioökonomische Faktoren und Umweltbelastungen in Deutschland - aktueller Erkenntnisstand und exemplarische Analysen ausgewählter Umweltschadstoffe.

Teilprojekt A

Systematische Zusammenstellung der Datenlage in Deutschland.

Das Projekt wurde vom Umweltbundesamt (UFOPLAN-Nr. 3707 17 102/01) gefördert und in der Zeit von September 2007 bis Januar 2008 durchgeführt.

Hintergrund

In den letzten Jahren wurde der Bedeutung sozioökonomischer Faktoren im Themenfeld "Umwelt und Gesundheit" zunehmend Beachtung geschenkt. Dies lässt sich zum einen auf die internationale Diskussion zu Umweltgerechtigkeit ('environmental justice') zurückführen. Das Konzept Umweltgerechtigkeit geht von der Grundannahme aus, dass Umweltfragen nicht losgelöst von sozialen Fragen gesehen werden können. Das grundlegende Prinzip von Umweltgerechtigkeit ist das Recht jeder Person auf eine gesunde Umwelt. Zum anderen werden in der umweltepidemiologischen Forschung vermehrt Methoden eingesetzt, die sozioökonomische Faktoren in die Analysen einbeziehen. So kann die Aussagekraft der Forschung erhöht werden. Als relevante Mechanismen werden die Expositionsvariation nach sozialer Lage und die Effektmodifikation durch sozioökonomische Faktoren untersucht. In Deutschland steht die Auseinandersetzung mit dem Thema Umweltgerechtigkeit noch am Anfang. Empirische Daten, ob und in welchem Ausmaß Umweltbelastungen und die Vulnerabilität für umweltbedingte Erkrankungen nach der sozialen Lage variieren, liegen bisher vor allem aus Sekundäranalysen umweltepidemiologischer Studien vor.

Zielsetzung

In dem Teilprojekt A wurde die Datenlage in Deutschland zur sozialen Verteilung von

  • verkehrsbedingten Luftschadstoffen,
  • Lärm,
  • chemischen und biologischen Innenraumbelastungen,
  • korporalen Belastungen

systematisch zusammengestellt.

Aufgrund der kurzen Projektlaufzeit wurden die Ergebnisse in aggregierter Form als Kernaussagen erarbeitet und dem Umweltbundesamt im Oktober 2007 für den dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Die Kernaussagen, die sich auf Daten der Umwelt-Surveys bei Kindern und Erwachsenen beziehen, wurden vom Umweltbundesamt zur Verfügung gestellt und unverändert übernommen.

Ergebnisse

Die Datenlage zu den vier Themenbereichen verkehrsbedingte Luftschadstoffen, Lärm, chemische und biologische Innenraumbelastungen sowie korporale Belastungen war sehr heterogen und stammte größtenteils aus Sekundäranalysen.

Generell ist die Belastung mit verkehrsbedingten Luftschadstoffen in Deutschland bei sozial benachteiligten Personen höher. Die subjektive Belästigung durch Lärm allgemein und insbesondere durch Straßenverkehrslärm im Wohnumfeld ist bei sozial benachteiligten Personen höher. Wenn in den Studien mehrere Kategorien der sozialen Lage betrachtet wurden, wurde meist ein inverser Sozialgradient der verkehrsbedingten Luftschadstoffexposition und der Lärmbelästigung festgestellt.

Die Passivrauchbelastung - erhoben durch Befragung oder durch Humanbiomonitoring - ist bei sozial benachteiligten Kindern und Erwachsenen höher. Soziale Unterschiede wurden für Innenraumfaktoren wie Kochen und Heizen mit fossilen Brennstoffen, Feuchtigkeit und Allergen- und Endotoxinkonzentrationen im Hausstaub berichtet. Zu weiteren Innenraumschadstoffbelastungen gibt es lediglich Einzelbefunde. Humanbiomonitoringdaten wurden noch nicht umfassend nach sozioökonomischen Faktoren ausgewertet. Einzelergebnisse zeigen ebenfalls soziale Unterschiede in der korporalen Schadstoffbelastung, beispielsweise war ein niedriger Sozialstatus mit einer höheren Belastung mit Blei assoziiert.

Forschungsbedarf besteht in Deutschland hinsichtlich der Differenzierung und vergleichenden Betrachtung einzelner Sozialindikatoren, des Zusammenspiels von Expositionsvariation und Effektmodifikation bei der Wirkung der sozialen Lage auf die umweltbezogene Gesundheit und des Ausmaßes der sozialen Ungleichheit bei Umweltbelastungen und umweltbezogener Gesundheit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Regionen.

Veröffentlichungen der Projektergebnisse

  • Der Abschlussbericht des Projekts wurde im November 2008 auf der Internetseite des Umweltbundesamtes publiziert (siehe rechts oben).
  • Bolte G, Kohlhuber M, Seiwert M, Bunge C. Socioeconomic factors and environmental exposures in Germany. Current state of knowledge. Umweltmed Forsch Prax 2008; 13: 278 (Vortrag auf der 2. Jahrestagung der Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP), 01.-04.10.2008 Graz)

Hintergrundliteratur