Human-Studie zur Aufnahme von Weichmachern nach oraler Gabe von Hausstaub

Das Projekt wird vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie des LGL durchgeführt.

Hintergrund

Sogenannte Weichmacher werden heutzutage in einer Vielzahl von Produkten wie Farben, Tinten oder Lacken, in Plastisolen, Folien, Spielzeug, Verpackungsbehälter, Medizinprodukte, Klebstoffen oder Klebstoffkomponenten, in Dichtungsmassen, in Kunststoffen oder Kunststoffkomponenten etc. eingesetzt. Mengenmäßig finden Weichmacher vor allem in Kunststoffen wie Polyvinylchlorid (PVC), Polyvinylbutyral (PVB) und Polyolefinen (z.B. Polyethylen (PE)) Verwendung. Insbesondere die funktionalen Eigenschaften von PVC eignen sich in hohem Maße für eine Vielfalt von Produkten. Vor diesem Hintergrund ist die Exposition des Menschen gegenüber Inhaltsstoffen des PVC unausweichlich.
In der Vergangenheit wurden von uns in Deutschland Kindertagesstätten und Schulen in größerem Umfang auf Weichmacher im sedimentierten Staub (Hausstaub) untersucht. Es zeigte sich, dass zwei Weichmacher, Di-(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) und ein Flammschutzmittel, Tris(2-butoxyethyl)phosphat (TBEP), mit den höchsten Gehalten gefunden wurden.
Phthalate und andere Weichmacher werden in Innenräumen in verhältnismäßig hohen Mengen nachgewiesen.
Damit kann auch Hausstaub als eine wichtige Expositionsquelle angesehen werden. Besonders kleine Kinder haben eine relativ hohe unbeabsichtigte Aufnahme von Hausstaub (Krabbeln am Boden, Spielzeug in den Mund stecken), daher kann eine im Vergleich zu Erwachsenen höhere Exposition gegenüber Weichmachern angenommen werden. Man schätzt abhängig von der herangezogenen Studie eine Aufnahme von bis zu 50 mg/Tag.
Vereinfachend wird in der Risikoabschätzung bisher davon ausgegangen, dass Personen täglich im Mittel 60 mg Hausstaub aufnehmen und davon 100% aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert werden. Hieraus errechnet sich eine sehr hohe Dosis, die immer wieder zu Befürchtungen führt, dass die Hausstaubaufnahme ein wesentlicher Zufuhrpfad für die allgemeine Bevölkerung darstellen könnte. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Aufnahme über Hausstaub überschätzt wird und aus dem Magen-Darm-Trakt deutlich weniger als 100 % aufgenommen werden. Wenn dem so wäre, hätte dies erhebliche Bedeutung für das Risikomanagement, da z.B. unnötige Sanierungen von Gebäuden vermieden oder, falls unsere Hypothese nicht zutrifft, Sanierungsmaßnahmen begründeter gefordert werden könnten.

Für eine genauere Expositionsabschätzung sind aber auch Daten zur oralen Bioverfügbarkeit* dieser Verbindungen erforderlich. Es ist daher auch wichtig zu wissen, welche Konzentration (oder Menge?) an Weichmachern im Magen- und Darmbereich aus dem Staub herausgelöst werden, sodass sie die Darmwand passieren können und mit dem Blutstrom im Körper verteilt und verstoffwechselt werden können. Bisher liegt nur eine in-vivo-Studie mit Ferkeln zu dieser Thematik vor.

Ziel der Studie

Ziel dieser Studie war es, die orale Bioverfügbarkeit von Phthalaten und Hexamoll® DINCH (1,2-Cyclohexandicarbonsäurediisononylester), die in typischen Hausstaubproben vorkommen, beim Menschen zu bestimmen. Dabei wurden die hochmolekularen Phthalate Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) und Diisononylphthalat (DiNP) sowie deren Ersatzstoff DINCH® untersucht.

Arbeitsprogramm

Es werden nur zum Zeitpunkt der Untersuchung gesunde Probanden in die Studie eingeschlossen. Insgesamt 12 erwachsene Probanden sollen einmalig eine Menge oral erhalten, die einer Tagesdosis der lebenslang duldbaren Aufnahme entspricht. Am Tag und in der Nacht vor der Untersuchung sollen die Probanden nur Trinkwasser, aber keine festen Nahrungsmittel zu sich nehmen. Da die beiden Substanzen wesentlich über Nahrungsmittel aufgenommen werden, aber eine sehr kurze Halbwertszeit haben, schließt dies die störende Quelle Nahrung weitgehend aus. Zum Ausgleich nehmen die Probanden eine hochkalorische Ersatznahrung zu sich. Diese wird vorher auf Freiheit von Weichmachern getestet. Die Ausscheidung der spezifischen Metaboliten wird nach der Aufnahme im zeitlichen Verlauf verfolgt. Unmittelbar vor und bis 36 Stunden nach der Verabreichung erfolgen hierzu Urinsammlungen. Um auch eine dermale Exposition möglichst zu vermeiden werden, außer einer weichmacherfreien Seife, keine Körperpflegeprodukte von den Teilnehmern eingesetzt.

Ergebnisse

An der Studie nahmen elf Freiwillige teil. Sie nahmen 6 g auf 2 mm gesiebten Hausstaub auf. Der Urin wurde über einen Zeitraum von 36 h gesammelt. Die ausgeschiedenen Weichmachermetaboliten wurden mit einer LC-MS/MS-Methode quantifiziert. Die durchschnittliche Wiederfindung von Metaboliten im Urin betrug 51 % ± 20% für DEHP, 26 % ± 13 % für DINPund 19 % ± 6 % für DINCH® bezogen auf die als Staubproben verabreichten Ausgangsverbindungen. Die Metaboliten von DEHP, DiNP und DINCH® erreichten ihre maximale Konzentration zwischen 2 bis 19 Stunden nach Verabreichung der Staubprobe. Für DEHP konnten frühere Ergebnisse einer oralen Bioverfügbarkeitsstudie mit Ferkeln bestätigt werden. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den Staubpartikelgrößen (63 µm vs 2 mm) bzgl. der Bioverfügbarkeit festgestellt werden. In Anbetracht der beobachteten Bioverfügbarkeit trägt eine geschätzte Staubaufnahme von ca. 30-50 mg/Tag für Kleinkinder wesentlich zur Exposition gegenüber DEHP,DINP und DINCH® bei.

Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass auch die Aufnahme von mit Weichmachern kontaminierter Hausstaub zu einer erhöhten Ausscheidung von Weichmachermetaboliten im Urin führt. Daher kann Staub als potenzielle Expositionsquelle angesehen werden und das besonders für Kleinkinder, die die höchste unbeabsichtigte Aufnahme von Hausstaub aufweisen. Berücksichtigt man die eher geringe Staubmenge und die in dieser Studie ermittelte orale Bioverfügbarkeit, welche unter 60 % lag, trägt die Exposition durch Staub im Vergleich zur Aufnahme über die Nahrung nur geringfügig zur Gesamtexposition gegenüber DEHP, DiNP und DINCH® bei.

* Die Bioverfügbarkeit von Fremdstoffen ist eine toxikologische Messgröße für den Anteil eines Fremdstoffes, der als Ausgangssubstanz und/oder Umwandlungsprodukt im systemischen Kreislauf (speziell im Blutkreislauf) verfügbar ist, um beispielsweise gesundheitliche Wirkungen hervorzurufen.

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