Untersuchung zur Belastung von Asylbewerbern mit chlororganischen Pestiziden

Das Pilotprojekt wurde vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie in Zusammenarbeit mit dem Sachgebiet R2 des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) 2004 durchgeführt.

Hintergrund

Vorkommen und Bedeutung der Biozide

Pentachlorphenol (PCP) zeigt bakterizide und fungizide Wirkung. Es wurde deshalb in der Vergangenheit im Holz- und Bautenschutz, in der Schnittholzbehandlung, Textil- und Lederimprägnierung sowie der Zellstoff-, Papier- und Pappeproduktion eingesetzt.

Hexachlorcyclohexan (HCH) oder Lindan (y-HCH) vernichtet Insekten. Es wurde bzw. wird in der Land- und Forstwirtschaft, im Holzschutz, im Hausgarten, zum Textilschutz, als Tier- und Humanarzneimittel gegen Läuse und Milben verwendet.

Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) ist ein Kontaktinsektizid. Es hat weltweit Bedeutung als Schädlingsbekämpfungsmittel und bei der Bekämpfung der Anopheles-Mücke, die die Malaria überträgt. Alle drei Verbindungen haben in Deutschland hauptsächlich im Rahmen der Anwendung von Holzschutzmitteln in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt. In Deutschland ist sowohl die Anwendung von DDT seit 1972 als auch von PCP seit 1989 verboten [1, 2]. Trotz der Bemühungen der Weltgesundheitsbehörde, den Einsatz des persistenten DDT in der Landwirtschaft zurückzudrängen, ist DDT in einigen Ländern bei der Bekämpfung von Vektor-übertragenen Krankheiten wie Malaria, West-Nil-Fieber und Leishmaniose derzeit noch unverzichtbar. Auch PCP ist in einigen Ländern wie den USA noch im Textilschutz und bei der Lederverarbeitung in der Anwendung [1, 3, 4, 5, 6, 7].

Belastungen des Menschen – Humanbiomonitoring (HBM)

In Deutschland sind als Folge der Maßnahmen zur Reduktion der Umweltbelastung die Belastungen des Menschen bei PCP, Lindan und DDT deutlich zurückgegangen. Das zeigen sowohl Muttermilchuntersuchungen (Abbildung 1) [8, 9] als auch Blutuntersuchungen. Die Referenzwerte des Umweltbundesamtes für PCP im Plasma sind z. B. von 70 µg/l in den Achtzigerjahren auf 12 µg/l in den Neunzigerjahren gesunken.

Untersuchungsergebnisse Muttermilch

Abbildung 1: Trend Muttermilchuntersuchung

In der folgenden Tabelle sind die Konzentrationen der Stoffe in Körperflüssigkeiten dargestellt, die in Untersuchungen größerer Kollektive in Deutschland ermittelt wurden:

Tabelle 1: Stoffkonzentrationen in Körperflüssigkeiten
Stoff Anzahl der Probanden insgesamt Alter (Jahren) Mittlere Werte (μg/l) 95. Perzentil (μg/l) Referenzwert (μg/l)
PCB Urin 691 18-29 1,9 5,6 8
20-29 1,1 5,2
30-39 1,2 5,6
40-49 1,0 5,4
50-59 0,9 3,8
60-69 0,8 2,9
PCB 130 0-<6 2,5 17,3 12
Plasma 6-<12 2,7 5,9
12-<18 2,1 8,4
DDE 2290 18-29 0,4 1,5 1,5
Vollblut 20-29 0,6 2,1 2,0
(alte Länder) 30-39 1,0 3,9 4,0
40-49 1,6 6,5 7,0
50-59 2,0 6,8 8,0
60-69 2,5 9,0 11,0
DDE 0-<6 0,8 4,4
Plasma 6-<12 1,0 50, 0,7 (9-11 Jahre)
12-<18 0,9 8,8
DDT 130 0-<6 >0,1 0,2
Plasma 6-<12 >0,1 0,3
12-<18 >0,1 0,3
-HCH 2806 18-29 <0,1 <0,1
Vollblut 20-29 <0,1 0,1
30-39 <0,1 <0,1
40-49 <0,1 <0,1
50-59 <0,1 0,1
60-69 <0,1 0,1
-HCH 130 0-<6 >0,1 0,1
Plasma 6-<12 >0,1 <0,1
12-<18 >0,1 <0,1

modifiziert nach [10,11]

Im Rahmen einer Untersuchung staatseigener Gebäude auf Holzschutzmittelbelastung wurde in den Jahren 1994/1995 das Plasma von ca. 580 Personen aus Bayern untersucht. 95 % der Untersuchten hatten Belastungen unter 15 µg PCP/l (Nordbayern) bzw. unter 20 µg PCP/l (Südbayern). Der Median belief sich auf 4 µg PCP/l (Nordbayern) bzw. 6 µg PCP/l (Südbayern). Während die Untersuchungsergebnisse in Nordbayern im Konzentrationsbereich zwischen <1 und 166 µg PCP/l lagen, wurden in Südbayern Konzentrationen zwischen <2 und 64 µg PCP/l festgestellt [12].

Bei Erwachsenen und Kindern aus einer mexikanischen Malariaregion wurden nach dem Ausbringen von DDT Blutkonzentrationen von 68–88 µg/l (Kinder) bzw. 27 bis 61 µg/l (Erwachsene) festgestellt (Summe von DDT und DDE (Dichlordiphenyldichlorethen)). Bei Schädlingsbekämpfern lagen die Blutwerte nochmals einen Faktor 2 bis 3 höher als die bei Kindern ermittelten Konzentrationen [13].

Ziel/Projektdurchführung

Ziel des Pilotprojektes war es, das Human-Biomonitoring anhand der PCP/Lindan- und DDE-Untersuchung im menschlichen Plasma am LGL weiterzuentwickeln.

Untersucht werden sollten 60 Asylbewerber eines Asylbewerberheims aus Schwabach. Die Asylbewerber stammten vorwiegend aus folgenden Ländern: Afghanistan, Albanien, China, Aserbaidschan, Indien, Iran, Irak, Kambodscha, Pakistan, Syrien, Türkei, Georgien und Vietnam. Im Großteil dieser Länder ist die Malaria zumindest in bestimmten Landesteilen endemisch. In einigen Ländern wie Irak, Pakistan, Türkei wird/wurde über den Einsatz von DDT bzw. das Vorkommen von DDT-resistenten Moskitos berichtet.

Das Projekt wurde vom LGL in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Roth durchgeführt. Die freiwillig teilnehmenden Asylbewerber erhielten Informationen über die Ziele der Untersuchung durch einen Dolmetscher in ihrer Muttersprache. Der Fragebogen wurde ihnen mündlich erläutert. Mit dem Fragebogen sollten wichtige Expositionsquellen im Ausland erfasst werden. Die Simultandolmetschung war notwendig, um auch Analphabeten die Teilnahme an der Studie zu ermöglichen.

Die Asylbewerber erhielten eine Blutuntersuchung. Die Blutentnahme erfolgte durch das Gesundheitsamt Roth. In den Blutproben wurden die Schadstoffe (PCP, HCH) oder DDE, das Stoffwechselprodukt des DDT, durch das LGL bestimmt. Zusätzlich wurden Urinproben genommen und untersucht, wenn die Blutuntersuchungen deutliche Belastungen zeigten. Urin- und Plasmagehalte korrelierten bei Schadstoffen wie PCP gut. Die Konzentrationen im Urin waren geringer (PCP Plasma:Urin = 23:1). In den Urinproben wurde der Kreatiningehalt ermittelt.

Die analytischen Untersuchungen erfolgten nach den beschriebenen Standardmethoden der Deutschen Forschungsgemeinschaft mittels GC/ECD. Die Untersuchungsergebnisse wurden den Studienteilnehmern durch die Ärzte des Gesundheitsamtes mithilfe des Dolmetschers mitgeteilt und die Teilnehmer beraten.

Ergebnisse

Die Ergebnisse wurden auf dem Kongress für den Öffentlichen Gesundheitsdienst 2005 in Form eines Posters präsentiert.

Human-Biomonitoring bei Asylbewerbern (PDF, 146 KB)

Literatur

Vorkommen und Bedeutung der Biozide:

  • [1]: Liebl, B. et al.: Beurteilung von Holzschutzmittelbelastungen im Innenräumen. Gesundh.-Wes. 57, 476–488 (1995).
  • [2]: Marquardt, H. und Schäfer,S.: Lehrbuch der Toxikologie, S. 17–18, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2. Auflage (2004).
  • [3]: Mücke W.: Holzschutzmittel in Projektgruppe "Umwelt und Gesundheit" 1–155 (1994)
  • [4]: Roßkamp, E et al.: Aktuelle DDT- und Lindan-Konzentrationen in Wohnräumen nach intensivem Holzschutzmitteleinsatz auf Dachböden in der Vergangenheit. UmweltmedForschPrax 4(6), 354–360 (1999).
  • [5] Kommission "Human-Biomonitoring" des UBA: Stoffmonographie Pentachlorphenol-Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM), Bundesgesundhbl. 6, 212–222 (1997).
  • [6]: WHO Press Release: Time limited exemptions and financial support are critical to sustainable reductions in the use of DDT (2000).
  • [7]: von Schirnding, Y et al: International environmental law and global public health. Bulletin of the Word Health Organization, 80 (12), 970–974 (2002)
  • [8]: Smith, D.: Worldwide trends in DDT levels in human breast milk. IntJEpidemiol 28, 179–188 (1999).
  • [9]: Vieth, B., Heinrich-Hirsch, B.: Trends der Rückstandsgehalte in Frauenmilch der Bundesrepublik Deutschland-Aufbau der Frauenmilch-Dioxin-Humandatenbank am BgVV. Bericht des BfR, 1–8 (2000).
  • [10] Becker , K. et al.: Umwelt-Survey 1998, Band III: Human-Biomonitoring. 1–339 (2002).
  • [11] Heudorf, U., Angerer, J., Drexler, H.: Current internal exposure to pesticides in children and adolescents in Germany: Blood plasma levels of pentachlorophenol (PCP), lindane (y-HCH) and dichloro(diphenyl)ethylene (DDE), a biostabile metabolite of dichloro(diphenyl)trichloroethane (DDT), Int J Hyg Environ Health 206(6), 485–491 (2003).
  • [12]: Liebl, B. et al.: Pentachlorphenol - Ergebnisse aus einem bayerischen Human-monitoring Programm. Gesundheitswesen 58, 332–338 (1996).
  • [13]: Yanez, L. et al.: Levels of dichlorodiphenyltrichloroethane and deltamethrin in humans and environmental samples in malarious areas of Mexico. Environ Res 88 (3), 174–181 (2002).

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