Beurteilung von Studien zu Kuren mit Radonbehandlung

Zusammenfassung

Über die Wirkungsweise der Radonbehandlung ist bislang nur wenig bekannt. Die Radontherapie wird seit längerem für die Behandlung von chronisch schmerzhaften Erkrankungen, beispielsweise in Form von Radonbädern bei Osteoarthrose, eingesetzt.
Darüber hinaus kommt Radon als radioaktives Edelgas natürlichen Ursprungs in Naturhöhlen oder stillgelegten Bergwerken vor, die zur sogenannten Speläotherapie oder Heilstollentherapie genutzt werden. Unter Speläotherapie wird eine subterrane Klimatherapie verstanden, die bei Atemwegserkrankungen eingesetzt wird.

Aktuelle Literaturrecherchen zu der Thematik (siehe Punkt 2. und 3.) haben ergeben, dass bisherige Studien zur Radonbehandlung von methodisch schlechter Qualität waren, und daher ihre Ergebnisse als wenig valide eingestuft werden müssen. Daher können bzgl. der Nutzen-Risiko-Abwägung der Radonbehandlung keine neuen Empfehlungen gegeben werden.

Grundsätzlich sind die Wirkungen der Strahlung im Niedrig-Dosis-Bereich nicht ausreichend untersucht und werfen zudem auch erhebliche methodische Probleme auf. Auch aus dem Vorsorgeprinzip heraus sollten sich gesunde Personen keiner Radonkur unterziehen.

Die wissenschaftlichen Grundlagen bei erkrankten Personen (z. B. Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis) sind weiter klärungsbedürftig. In den u. g. Studien finden sich Hinweise auf eine mögliche schmerzlindernde Wirkung von Radonbehandlung und demzufolge eine für die Patienten vorteilhafte Reduktion der Einnahme von nicht-steroidalen Entzündungshemmern sowie Kortikosteroiden. Allerdings zeigten auch die Kontrollgruppen eine Reduktion der Schmerzen. Darüber hinaus ist in den Studien auch ein „Bündeleffekt“ zu berücksichtigen, da die beobachteten Wirkungen hinsichtlich der dafür verantwortlichen spezifischen Therapiemodalität teilweise schwer bzw. nicht zuordenbar sind.

In der weiteren Abwägung ist zu bedenken, dass jede Therapie eine oder mehrere Nebenwirkungen haben kann, auch die medikamentöse Behandlung beispielsweise mit Nicht-steroidalen antirheumatischen Schmerzmitteln (z. B. Magenbluten, Nierenschädigung). Aus unserer Sicht sind die Schlussfolgerungen auch in den neueren Studien bezüglich der Wirksamkeit der Radonbehandlung unverändert als vorläufig zu betrachten und sollten wissenschaftlich weiter diskutiert werden.

Literatursuche zur Radontherapie im Allgemeinen

Die wissenschaftliche Literatur zur Radontherapie ist begrenzt. Studien vor 2012 sind im Folgenden nicht näher erläutert, da aus diesen keine zusätzlichen Erkenntnisse hervorgehen. Eine aktuelle Literatursuche in PubMed zu den Stichworten (radon[Title/Abstract]) AND therapy[Title/Abstract] ergab seit dem Jahr 2012 22 Treffer. Sieben dieser Publikationen untersuchten eine therapeutische Wirkung von Radon auf Osteoarthritis oder rheumatoide Arthritis.

In einer aktuellen Studie wurden die Wirkungen einer wiederholten Exposition gegenüber niedrig dosiertem Radon und Hyperthermie in einem Heilstollen (12 Anwendungen in 3 Wochen) auf den Serumspiegel verschiedener Zytokine bei 25 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) untersucht. Als Kontrollen für eine nicht-inflammatorisch bedingte Erkrankung dienten 24 Patienten mit Osteoarthritis (OA) gleichen Alters. Die Zytokin-Messungen wurden vor und nach Abschluss der Behandlung durchgeführt. Die Behandlung führte bei RA und OA Patienten zu einer Reduktion von osteo-katabolischen und nur bei RA Patienten zu einem Anstieg von osteo-anabolischen Zytokinen [Lange 2016]. Allerdings ist unklar, wieviel des Effektes auf Radonbehandlung und wieviel auf die Hyperthermie zurückzuführen ist. Darüber hinaus gab es keine unbehandelte Kontrollgruppe.

Zwei russischsprachige Studien zeigten laut Autoren eine hohe Wirksamkeit einer kombinierten Anwendung von Radonbädern und extrakorporaler Stoßwellentherapie in Form von Schmerzlinderung, Beweglichkeit und allgemeiner Verbesserung der Lebensqualität auf die Rehabilitation von Patienten mit Gonarthrose oder Osteoarthrose des Knies [Razumov 2014, Razumov 2014a]. Da keine Übersetzung der Artikel vorhanden ist, ist eine Beurteilung dieser Studien nicht möglich.

Mehrere systematische Reviews beschreiben verschiedene Studien, die die Wirkung von Radonbädern auf rheumatische Erkrankungen untersucht haben [Santos 2015, Verhagen, 2015, Verhagen 2015a]. In dem Review von Santos et al [2015] wurden drei RCT Studien (2000, 2007 und 2013) von Franke et al. berücksichtigt, in denen die Wirksamkeit einer Behandlung mit Radon-haltigen Bädern mit einer Behandlung mit Radon-freien Bädern in Bezug auf rheumatische Arthritis verglichen wurde.

Die RCT-Studien von Franke et al. [2000, 2007, 2013], werden von den Autoren des systematischen Reviews [Santos 2015] als von methodisch hoher Qualität beschrieben. Die Studien aus 2000 und 2007 beziehen sich auf Patienten mit rheumatischer Arthritis (RA), wohingegen die Studie aus 2013 mehrere verschiedene chronisch rheumatische Erkrankungen untersucht.

In den Studien 2000 und 2007 wurden wiederholt verschiedene Outcome-Parameter in Bezug auf RA untersucht:

  • Morgendliche Steifheit: es finden sich kaum signifikante Gruppenunterschiede (Kontrollgruppe versus Interventionsgruppe), einzig in der Studie von 2000 findet sich eine erhöhte Chance (Odds Ratio von 4.2 (95 % KI: 1,2-15,0) für eine Verbesserung der morgendlicher Steifheit bei Radon-Bädern im Gegensatz zu Radon-freien Bädern, 3 Monate nach Behandlung. Dieser Effekt zeigte sich allerdings weder direkt nach der Behandlung noch nach 6 Monaten erneut.
  • Schmerzen: In der Studie aus dem Jahr 2000 zeigte sich erst nach 6 Monaten eine signifikant größere Reduzierung von Schmerzen in Bezug auf die Radon-Bäder-Behandlung versus Nicht-Radon-Bäder-Behandlung (OR: 4,2 (95 % KI: 1,3-13,0). Dieser Effekt zeigte sich allerdings nicht zu den anderen Untersuchungszeitpunkten (direkt nach der Behandlung; 3 Monate nach der Behandlung). In der Studie aus 2007 zeigte sich eine Reduzierung der Schmerzen bei der Anwendung von Radon-Bädern bis 9 Monate nach der Behandlung, wohingegen sich in der Kontrollgruppe eine generelle Reduzierung der Schmerzen nur bis 3 Monate nach der Intervention zeigte.
  • Funktionskapazität: Es zeigte sich für RA-Patienten nur in der Studie von 2000 eine höhere Verbesserung bei Behandlung mit Radon-Bädern bezüglich des AIMS (Arthritis Impact Measurement Scales). 2007 zeigten sich keine signifikanten Gruppenunterschiede bezüglich der Funktionskapazität.
  • Selbstberichtete Einschränkungen des täglichen Lebens/Berufs: Es zeigte sich 2007 eine Verbesserung der selbstberichteten Einschränkungen bei den AR-Patienten mit Radon-Bädern bis 9 Monate nach der Behandlung. Nach 12 Monaten zeigten die mit Radon behandelten Patienten allerdings eine Verschlechterung dieses Parameters in Vergleich zum Ausgangswert. Die Kontrollgruppe zeigte eine Verbesserung nur bis 3 Monate nach der Behandlung und ebenfalls eine Verschlechterung dieses Parameters bezogen auf den Ausgangswert bereits nach 6 Monaten Post-Treatment.
  • Einnahme von nicht-steroidalen Entzündungshemmern sowie Kortikosteroiden: In der Studie aus 2007 zeigte sich darüber hinaus über die gesamte Follow-up Periode eine Reduktion der Einnahme von nicht-steroidalen Entzündungshemmern sowie Kortikosteroiden bei der Behandlung mit Radon-Bädern. Bei Patienten mit Radon-freien Bädern verringerte sich die Medikamenten-Einnahme nur direkt nach der Behandlung, danach blieb die Einnahme gleich beziehungsweise stieg im Vergleich zum Ausgangswert an.

Da die Ergebnisse der Studie aus 2013 [Franke 2013] sich nicht nur auf rheumatische Arthritis beziehen, werden diese Ergebnisse im Folgenden separat dargestellt:

Ergebnisse der Studie aus 2013 zeigen eine signifikante Überlegenheit der Schmerzreduktion bei der Anwendung von Radon-Bädern versus Nicht-Radon-Bäder (p = 0,032). Jedoch zeigte auch die Kontrollgruppe eine Reduktion der Schmerzen. Darüber hinaus war die mittlere absolute Reduzierung der Schmerzen weniger als 1 Punkt auf einer 0-10 Punkte Schmerz-Skala und die Gruppenunterschiede waren noch geringer. Allerdings wurde zusätzlich eine signifikant erniedrigte Einnahme von Schmerzmitteln nach der Intervention (Radon-Bäder) bis zum Ende des Follow-ups beobachtet (p = 0,007). Keine signifikante Verbesserung konnte in der Studie von 2013 bezüglich der psychischen und physischen Lebensqualität beobachtet werden. Auch bezüglich der Funktionskapazität zeigten sich kaum signifikante Effekte, eine Subgruppenanalyse mit Radon-behandelten Patienten mit degenerativer Osteoarthritis zeigte bis 6 Monate nach der Behandlung einen signifikanten Effekt bezogen auf eine Verbesserung der Funktionskapazität (p = 0,05), dieser Effekt verschwand allerdings bei Betrachtung der gesamten Follow-up Zeit (9 Monate) wieder (p = 0,096). Weder bei der Subgruppe mit Rückenschmerzen noch bei den beiden kleineren Patientengruppen mit entzündlichen Indikationen kam es zu signifikanten Verbesserungen in der Funktionskapazität.

Literatursuche zur Speläotherapie

In einer PubMed-Recherche zu dem Stichwort Speleotherapy finden sich vier aktuelle Publikationen, davon drei in russischer Sprache.

In dem englischsprachigen Abstract einer dieser russischen Studien [Levchenko 2014] wird gefolgert, dass Speläotherapie eine sehr effiziente Methode zur Rehabilitation der Patienten mit Atemwegserkrankungen und allergischen Erkrankungen darstellt. Insgesamt behandelte ein speläotherapeutisches Krankenhaus in Weißrussland mehr als 42.000 Patienten mit Erkrankungen der Atemwege und Allergien. Die klinische Wirksamkeit der Speläotherapie wird laut Autoren auf 97,3 % geschätzt. Die symptomfreie Zeit liegt laut Autoren bei einmaliger Therapie im Durchschnitt bei 7,0 ± 0,4 Monate und bei bis zu 2,5-3 Jahren bei wiederholter Behandlung. In den Abstracts der zwei anderen russischsprachigen Publikationen sind keine weiteren Informationen zur Wirksamkeit der Speläotherapie gegeben. Da keine Übersetzung der Artikel vorhanden ist, ist eine Beurteilung dieser Studien nicht möglich.

Die englischsprachige Publikation fokussiert sich auf die Messung von Radonkonzentrationen in Höhlen der Tschechischen Republik [Thinova 2015].

Darüber hinaus fand sich ein 2014 erschienenes Review zur Halotherapie [Rashleigh 2014]. Die Halotherapie wird als eine Alternative zur Speläotherapie eingesetzt, bei der für die Behandlung eine künstliche Kammer eingesetzt wird, in der die Luft mit Salzpartikeln angereichert wird. Die Autoren kommen jedoch zu dem Schluss, dass es sehr wenig präzise Studien in diesem Bereich gibt und dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung zur Verwendung der Halotherapie bei COPD (chronische obstruktive Lungenerkrankung) gemacht werden kann.

Literaturverzeichnis

[1] Lange, U., Dischereit, G., Tarner, I., Frommer, K., Neumann, E., Müller-Ladner, U., & Kürten, B. (2016). The impact of serial radon and hyperthermia exposure in a therapeutic adit on pivotal cytokines of bone metabolism in rheumatoid arthritis and osteoarthritis. Clinical Rheumatology, 1-6.

[2] Razumov, A. N., Puriga, A. O., & Yurova, O. V. (2014). [The results of the combined application of extracorporeal shock-wave therapy and radon baths during the rehabilitative treatment of the patients presenting with gonarthrosis]. Voprosy kurortologii, fizioterapii, i lechebnoi fizicheskoi kultury, 92(5), 35-39.

[3] Razumov, A. N., Puriga, A. O., & Yurova, O. V. (2014a). [The long-term results of the application of the combined rehabilitative treatment in the patients presenting with knee osteoarthrosis]. Voprosy kurortologii, fizioterapii, i lechebnoi fizicheskoi kultury, 92(6), 42-44.

[4] Santos, I., Cantista, P., & Vasconcelos, C. (2015). Balneotherapy in rheumatoid arthritis—a systematic review. International journal of biometeorology, 1-15.

[5] Verhagen, A., Bierma-Zeinstra, S. M., Boers, M., Cardoso, J. R., Lambeck, J., de Bie, R., & de Vet, H. C. (2015). Balneotherapy (or spa therapy) for rheumatoid arthritis. An abridged version of Cochrane Systematic Review. European journal of physical and rehabilitation medicine.

[6] Verhagen, A., et al. "Balneotherapy (or spa therapy) for rheumatoid arthritis." Cochrane Database Syst Rev 11.4 (2015a).

[7] Franke, A., & Franke, T. (2013). Long-term benefits of radon spa therapy in rheumatic diseases: results of the randomised, multi-centre IMuRa trial. Rheumatology International, 11(33), 2839-2850.

[8] Franke, A., Reiner, L., & Resch, K. L. (2007). Long-term benefit of radon spa therapy in the rehabilitation of rheumatoid arthritis: a randomised, double-blinded trial. Rheumatology international, 27(8), 703-713.

[9] Franke, A., Reiner, L., Pratzel, H. G., Franke, T., & Resch, K. L. (2000). Longterm efficacy of radon spa therapy in rheumatoid arthritis — a randomized, sham-controlled study and follow‐up. Rheumatology, 39(8), 894-902.

[10] Levchenko, P. A., Dubovik, N. N., & Delendik, R. I. (2014). Our experience with the application of the speleotherapeutic treatment based at the state healthcare facility" Republican Speleotherapeutic Hospital". Voprosy kurortologii, fizioterapii, i lechebnoĭ fizicheskoĭ kultury, (6), 26.

[11] Thinová, L., Froňka, A., & Rovenská, K. (2015). The overview of the radon and environmental characteristics measurements in the Czech show caves. Radiation protection dosimetry, 164(4), 502-509.

[12] Rashleigh, R., Smith, S. M., & Roberts, N. J. (2014). A review of halotherapy for chronic obstructive pulmonary disease. International journal of chronic obstructive pulmonary disease, 9, 239.

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