Das Risiko von Spätfolgen einer Maserninfektion im Kleinkindalter

Die Subakute sklerosierende Panenzephalitis (kurz: SSPE) ist eine Spätkomplikation der natürlichen Maserninfektion. Diese Gehirnentzündung verläuft nahezu immer tödlich und tritt meist erst Jahre nach einer durchgemachten Maserninfektion auf. Sie führt zu einem schleichenden Verlust aller geistigen Fähigkeiten und endet im Wachkoma, in dem die Betroffenen nach wenigen Monaten oder auch Jahren versterben. Eine Heilung der SSPE ist nicht möglich. Ging man früher davon aus, dass das Risiko eine SSPE als Folge einer Maserninfektion zu bekommen bei 1:100.000 lag, zeigten neuere Studien aus Großbritannien und den USA, dass das Risiko deutlich größer ist.

Für Deutschland gab es hierzu bisher keine Daten, da die Berechnung des Risikos aufgrund der langen Latenzphase (Zeit zwischen der durchgemachten Maserninfektion bis hin zum Ausbruch der SSPE) schwierig ist. In einer gemeinsamen Studie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Oberschleißheim und des Instituts für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg [1] wurde das SSPE-Risiko in Deutschland untersucht. Hierzu wurden SSPE-Fälle bei Kindern erfasst, die im Zeitraum von 2003 bis 2009 in deutschen Kliniken behandelt worden waren. Insgesamt 31 Kinder mit der Diagnose SSPE wurden ermittelt. Um das SSPE-Risiko zu berechnen, mussten für diese Kinder Informationen zum Zeitpunkt und Ort der Maserninfektion erhoben werden. Diese Informationen waren teilweise nur schwer zu erhalten und lückenhaft, aber für 13 Kinder konnte plausibel angenommen werden, dass im Zeitraum von 1994 bis 2001 eine Maserninfektion in Deutschland stattgefunden hatte. Alle Kinder waren zum Zeitpunkt der Maserninfektion jünger als 5 Jahre. Die Gesamtzahl der Masern-Erkrankungen in diesem Zeitraum wurde aus der Krankenhausstatistik für die betroffene Altersgruppe auf 42.600 geschätzt. Somit ergab sich ein SSPE-Risiko von 1:3.300 nach Masernvirus-Infektionen in den ersten fünf Lebensjahren.

Die Daten der Studie zeigen zudem, dass für Kinder, die im 1. Lebensjahr an Masern erkrankt waren, ein noch höheres SSPE-Risiko angenommen werden kann. (Für die Kinder, die erst im 5. Lebensjahr erkrankten, ist das SSPE-Risiko dementsprechend niedriger.) Dies ist besonders in Anbetracht der Tatsache relevant, dass Kinder erst ab dem vollendeten 11. Lebensmonat gegen Masern geimpft und dadurch vor einer Maserninfektion geschützt werden können. Nur der Herdenschutz durch eine ausreichend geimpfte Umgebung (95% der Bevölkerung) kann die Kinder im 1. Lebensjahr vor der Impfung zuverlässig vor einer Infektion und somit vor dem Risiko einer schweren Masernkomplikation schützen.

[1] Schönberger K, Ludwig M-S, Wildner M, Weissbrich B (2013) Epidemiology of Subacute Sclerosing Panencephalitis (SSPE) in Germany from 2003 to 2009: A Risk Estimation. PLoS ONE 8(7): e68909. doi:10.1371/journal.pone.0068909

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