6. Therapie

Grundsätzlich muss jede Manifestation der Lyme-Borreliose antibiotisch therapiert werden. Je früher therapiert wird desto sicherer werden Spätmanifestationen vermieden. Der klinische Erfolg der Antibiotika-Therapie ist in frühen Infektionsstadien am besten. Bei typischem klinischen Bild (Erythema migrans, akute Neuroborreliose) sollen mikrobiologische Befunde nicht abgewartet werden und die Therapie natürlich auch bei negativem mikrobiologischen Befund fortgesetzt werden. Die mikrobiologische Diagnostik ist im übrigen bei klinisch eindeutigem Erythema migrans nicht erforderlich. Dosierung, Dauer, Antibiotikum und Art der Applikation richten sich nach dem klinischen Bild und dem Stadium der Erkrankung.

Therapietabelle (PDF, 20 KB).

Erythema migrans

Obwohl das Erythema migrans spontan ausheilt, ist eine Antibiotikatherapie vor allem deswegen indiziert, um spätere Stadien zu verhindern. Das Erythema migrans verschwindet in der Regel nach wenigen Tagen bis zu einigen Wochen nach Therapiebeginn. Tetrazyklinen sollte bei Erwachsenen und Kindern über zehn Jahre der Vorzug bei der Therapie des Erythema migrans gegeben werden, unter andrerem auch weil Tetrazykline auch gegen Ehrlichien wirksam sind (siehe Tabelle).

In seltenen Fällen kann es trotz Antibiotikatherapie doch zu späteren Manifestationen kommen, (in 1-2% zu Neuroborreliosen, in ca 1% zur Arthritis). In randomisierten Studien fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen Antibiotika in ihrer Eigenschaft Spätfolgen zu verhindern.

Tabelle 1: Differentialdiagnose der Lyme - Borreliose und Ehrlichiose
Lyme-Borreliose Ehrlichiose
stadienhafter Verlauf akuter Beginn mit
  • Stadium I (Tage bis Wochen nach Zeckenstich)
  • Erythema migrans
  • (falls Allgemeinsymptome, langsamer Beginn)
  • Fieber, Kopfschmerzen, Mylagien, Arthralgien, Übelkeit
  • Leukozytopenie, Thrombozytopenie, Transaminasenerhöhung
  • Exanthem (makulös, papulös, petechial)
  • selten Meningitis, Enzephalitis, Toxic Shock-ähnliche Verläufe
  • Stadium II (Wochen bis Monate nach Zeckenstich)
  • Multiple Erytheme, Borrelien-Lymphozytom, Karditis
  • Meningitis, Meningoenzephalitis, Meningoradikulitis
schwere Verläufe mit zum Teil tödlichem Ausgang beschrieben
  • Stadium III (Monate bis Jahre nach Zeckenstich)
  • Arthritis, Acrodermatitis chronica atrophicans (mit oder ohne Polyneuropathie),
  • chronische Enzephalomyelitis
bisher keine Spätmanifestation bekannt
ß-Laktam-Antibiotika wirksam ß-Laktam-Antibiotika unwirksam
Tetrazykline bei Lyme-Borreliose und Ehrlichiose wirksam

Neuroborreliose Stadium II

Auch die Neuroborreliose Stadium II heilt in der Regel klinisch spontan aus, ebenso normalisiert sich der Liquorbefund innerhalb weniger Monate. In sehr selten Fällen kann es zu Spätformen der Neuroborreliose kommen (s.u.). Bei der Neuroborreliose ist eine intravenöse Therapie indiziert, vorzugsweise mit Cephalosporinen oder als hochdosierte Penicillin G-Therapie. Ceftriaxon hat den praktischen Vorteil, daß es nur einmal täglich appliziert werden muss und somit eine ambulante Therapie möglich ist. Radikuläre Schmerzsymptomatik, Kopfschmerzen und Meningismus sprechen rasch auf Antibiotika an, während sich Paresen nicht signifikant schneller zurückbilden als bei unbehandelten Patienten.

Karditis

Für die Therapie der Lyme-Karditis werden die gleichen Antibiotika sowie dieselbe Therapiedauer empfohlen wie für die Neuroborreliose Stadium II. Es fehlen systematische Studien zur Therapie der Lyme-Karditis. Dies gilt auch für Augenmanifestationen, die ebenso wie andere Manifestationen des Stadium II behandelt werden.

Akrodermatitis chronica atrophicans (ACA)

Die ACA ist eine chronische Hauterkrankung, die selten spontan ausheilt. Penizillin und Tetrazykline sind seit vielen Jahren mit Erfolg im Gebrauch und führen zu teilweiser oder vollständiger Remission. Eine orale Therapie mit Doxycyclin oder Amoxycillin soll über drei Wochen gegeben werden. Die Besserung der klinischen Symptome tritt langsam ein (Wochen bis Monate). Alternativ können auch Cephalosporine i.v. gegeben werden.

Lyme-Arthritis

Über Monate bis Jahre kommt es in der Regel auch zur Spontanremission der Lymearthritis. Dennoch ist eine Antibiotikatherapie indiziert um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Eine orale Therapie mit Tetrazyklinen über vier Wochen kann effektiv sein. Bei Nonrespondern sind Cephalosporine i.v. indiziert. Corticosteroide sollen erst nach antibiotischer Therapie gegeben werden. Bei therapierefraktären Patienten kann eine Synovialektomie erforderlich werden.

Chronische Neuroborreliose

Die späte Enzephalomyelitis und die ACA-assoziierte Polyneuropathie heilen nicht spontan. Bei 60-90% der Patienten mit Polyneuropahtie wurden Therapieerfolge mit hochdosierter intravenöser Penicillintherapie oder mit Ceftriaxon erzielt; alternativ kann Doxycyclin gegeben werden. Aufgrund der Seltenheit der späten Enzephalomyelitis gibt es keine fundierten Daten zur Therapie dieser Erkrankung. Empfohlen wird die gleiche Therapie wie für die frühe Neuroborreliose allerdings für die Dauer von drei Wochen.

Therapie bei Kindern und Schwangeren

Tetrazykline dürfen bei Schwangeren und Kindern unter zehn Jahren nicht angewendet werden. Die Dosierung muss bei Kindern dem Körpergewicht angepaßt werden. Mögliche Therapieschemata sind: Amoxycillin 500 mg/ viermal täglich oder Cefuroxim 500 mg/ zweimal täglich. Bei schwereren Fällen kann intravenöses Penicillin G, Ceftriaxon oder Cefotaxim gegeben werden.

Laborkontrolle der Therapie

Generell sinken Antikörpertiter nach Antibiotikatherapie bei Frühmanifestationen rascher als bei Spätmanifestationen. Bei Spätmanifestationen können hohe Antikörpertiter sogar über Jahre persitieren. Da die individuellen Titerverläufe beträchtlich schwanken, sind serologische Verlaufskontrollen kein zuverlässiges Kriterium für den Therapieerfolg und können daher für die Kontrolle nicht empfohlen werden. Ein häufiger Fehler ist die Vorstellung, daß nach Antibiotikatherapie die Antikörpertiter negativ werden sollen.