Vector-borne Infectious Diseases in Climate Change Investigations (VICCI):

Abschlussbericht

Projekt 6: Autochthone Leishmaniose in Bayern: Untersuchungen zur Vektorprävalenz und zur Existenz tierischer Reservoirs

Projektteilnehmer: Prof. Dr. med. Christian Bogdan, PD Dr. rer. nat. Ulrike Schleicher, Dipl.-Biol. Simone Häberlein, Kirstin Castiglione

Mikrobiologisches Institut – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Universitätsklinikum Erlangen

Hintergrund und Fragestellung

Zoonotische Leishmaniose wird durch einzellige Parasiten der Gattung Leishmania verursacht, die durch blutsaugende, weibliche Sandmücken von infizierten Reservoirtieren auf den Menschen übertragen werden. In Europa ist die Leishmaniose in vielen Mittelmeerländern endemisch, von wo der Erreger regelmäßig durch infizierte Reisende oder Hunde nach Deutschland eingeschleppt wird. Die Krankheit und der Sandmücken-Vektor breiten sich zunehmend nach Norden in bislang nicht-endemische Länder Mitteleuropas aus, wie etwa die Schweiz und Österreich (Grimm et al. 1993, Naucke et al. 2011). In Deutschland leben schätzungsweise 20.000 Leishmaniose-infizierte Hunde, die eine Infektion im Ausland erworben haben, wodurch der limitierende Faktor für eine autochthone Übertragung des Erregers das Vorkommen des Sandmücken-Vektors darstellt (Weitzel et al. 2005, Lozán et al. 2008, Menn et al. 2010). In Baden-Württemberg wurden Sandmücken bereits entlang des Oberrheingrabens nachgewiesen (Naucke and Pesson 2000, Naucke et al. 2008). Speziell in Bayern wurden bislang vier autochthone Leishmaniosefälle bei Mensch, Hund und Pferd in den Jahren 1991-2000 dokumentiert (Gothe et al. 1991, Bogdan et al. 2001, Köhler et al. 2002), jedoch wurden hier bislang nie Studien zur Sandmückenverbreitung unternommen. Hunde stellen den wichtigsten Reservoirwirt dar, aber auch Nagetiere sind in endemischen Ländern oft mit Leishmanien infiziert (Rassi et al. 2006, Pourmohammadi et al. 2008, Papadogiannakis et al. 2010) und können daher als Indikator für das Vorkommen Leishmaniose-übertragender Sandmücken dienen. Im Rahmen des Projektes wurde daher untersucht (1) mit welcher Prävalenz Sandmücken in Bayern vorkommen; (2) wie hoch aktuell die Prävalenz von Leishmania-Infektionen in Hunden, Katzen sowie Pferden ist, welche sich nie zuvor in Endemiegebieten aufgehalten haben; und (3) ob Nagetiere als wildlebende Reservoirwirte für Leishmania-Parasiten dienen. Diese Studie ermöglicht somit eine Risikoabschätzung für die Etablierung autochthoner Leishmaniose in Bayern.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Prävalenz von Sandmücken in Bayern wurde mittels Lichtfallen untersucht. Basierend auf epidemiologischen Faktoren und Klimaprognosen wurden sieben Fokusregionen definiert, in denen das Auftreten von Sandmücken als am wahrscheinlichsten angesehen werden kann. Die Fokusregionen umfassten folgende Regierungsbezirke: (1) Aschaffenburg/Main-Spessart; (2) Würzburg/Kitzingen; (3) Erlangen-Höchstadt/Forchheim; (4) Regensburg/Kehlheim; (5) Aichach-Friedberg/Landsberg am Lech/Weilheim-Schongau; (6) Passau; (7) Lindau am Bodensee/Oberallgäu. Hier wurden in den Jahren 2009 und 2010 in den warmen Monaten von Juni bis August insgesamt 202 Fallen in 155 Ortschaften aufgehängt. Es konnten verschiedene Stechmückenarten nachgewiesen werden, jedoch keine einzige Sandmücke. Das Vorkommen von Sandmücken in Bayern kann damit zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, kann jedoch derzeit als sehr gering bis unwahrscheinlich eingestuft werden.

Das Auftreten von Vektoren und eine Ausbreitung der Leishmaniose würde sich in einer vermehrten Zahl von autochthonen Leishmanioseinfektionen bei domestizierten und wildlebenden Reservoirtieren widerspiegeln. Um die Prävalenz autochthoner Leishmaniose bei Haus- und Nutztieren zu bestimmen, wurden von bayerischen Tierärzten aus den Jahren 2010 und 2011 zur Verfügung gestellte Serum- und Blutproben von insgesamt 46 Tieren (25 Pferde, 10 Hunde, 11 Katzen) durch immunologische Methoden (Western Blot, Immunfluoreszenztest) auf anti-Leishmania-Antikörper bzw. durch kulturelle Erregeranzucht auf vermehrungsfähige Leishmanien untersucht. Die Tiere stammten von deutschen Elterntieren und hatten selbst Deutschland nie verlassen, so dass eine importierte Leishmaniose ausgeschlossen werden konnte. Die Proben aller untersuchten Tiere, einschließlich eines symptomatischen Pferdes, waren negativ. Die in den vorangehenden Jahren dokumentierten autochthonen Erkrankungen bei zwei Hunden und einem Pferd (Gothe et al. 1991, Koehler et al. 2002) können somit als Einzelfälle angesehen werden.

Die Prävalenz von Leishmanieninfektionen bei wildlebenden Nagetieren wurde durch unterschiedliche PCR-Techniken bestimmt. Insgesamt wurden 300 Nager aus sechs Arten untersucht, welche in den Jahren 2001 bis 2008 von der Arbeitsgruppe von PD Dr. rer. nat. Sandra Eßbauer (Mikrobiologisches Institut der Bundeswehr, München) in verschiedenen Landkreisen Bayerns und Baden-Württembergs gefangen worden waren: 140 Rötelmäuse (Myodes glareolus), 127 Gelbhalsmäuse (Apodemus flavicollis), 17 Waldmäuse (Apodemus sylvaticus), 14 Feldmäuse (Microtus arvalis) und je 1 Hausmaus (Mus musculus) und Ostschermaus (Arvicola amphibius). In keiner von über 400 Leber- und Hautproben konnte Leishmanien-DNA nachgewiesen werden. Nagetiere stellen somit in Süddeutschland kein etabliertes Reservoir für Leishmanien dar.

Empfehlung

Da in dem mehrjährigen Untersuchungszeitraum weder Sandmücken noch autochthone Leishmanieninfektionen in Reservoirtieren nachgewiesen wurden, kann das Infektionsrisiko für Leishmaniose in Bayern derzeit als sehr gering eingestuft werden. Allerdings schließen unsere Untersuchungen ein sporadisches Auftreten von Vektoren und autochthonen Erkrankungsfällen, wie in den Jahren 1991 bis 2000 geschehen, nicht völlig aus. Da mit einer verstärkten klimabedingten Ausbreitung des Sandmücken-Vektors in Deutschland zu rechnen ist, sollten zukünftig in regelmäßigen Abständen weitere Studien zur Prävalenz des Vektors und zur Prävalenz autochthoner Infektionen bei Reservoirtieren durchgeführt werden, um frühzeitig die Etablierung von Leishmaniose zu erkennen und Kontrollmaßnahmen einleiten zu können.

zum wissenschaftlichen Abschlußbericht Projekt 6

Kontakt:

Prof. Dr. Christian Bogdan
Mikrobiologisches Institut – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Universitätsklinikum Erlangen, Wasserturmstraße 3/5, D-91054 Erlangen; christian.bogdan@uk-erlangen.de, Tel. 09131-852-2551