Gesundheitsdaten in der Informationsgesellschaft

In der modernen "Informationsgesellschaft" mit ihren technischen Möglichkeiten ist die Beschaffung von Gesundheitsdaten einfacher denn je. Viele Daten sind im Internet heute mit einem Klick verfügbar, variabel gestaltbar, verknüpft mit Präsentationsformen wie Karten oder Infografiken. Aber die Vielfalt der Angebote stellt auch eine neue Herausforderung dar: Wem kann man vertrauen, wo gibt es ergänzende Informationen, wo kann man nachrecherchieren? Und die Anbieter müssen sich umgekehrt überlegen, wie man im Informationsdschungel die Adressaten überhaupt noch erreichen kann.

Dazu hat das LGL gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung am 16. November 2015 im Künstlerhaus in München einen Workshop unter der Überschrift "Evidenz zum Sprechen bringen: Daten kommunizieren, aber wie?" organisiert.

Eingeladen waren etwa 50 Fachleute aus der Wissenschaft, Gesundheitsbehörden, den Medien und der Öffentlichkeitsarbeit. Der Workshop hat zwei Leitfragen verfolgt: Erstens, was ist aus themenzentrierten Praxen zu lernen, von Nichtraucherschutzkampagnen bis zur Impfaufklärung? Und zweitens, welche Möglichkeiten und Grenzen bieten spezifische mediale Formen wie die Tageszeitung oder die amtliche Gesundheitsberichterstattung.
Die Vorträge ließen die sehr unterschiedlichen Blickwinkel der jeweiligen Akteure auf die Kommunikation von Daten erkennen – einer der Pluspunkte der Veranstaltung, wie viele Teilnehmer/innen anmerkten. Daran wurde auch deutlich, dass "Evidenz zum Sprechen bringen" ein arbeitsteiliges Vorhaben ist, in dem jeder Akteur seine spezifische Rolle finden und immer wieder neu definieren muss.

Ein wichtiger Diskussionsstrang war die Balance zwischen Informieren und Überreden. In Kampagnen spielen Daten beispielsweise eine andere Rolle als in verwendungsoffenen Informationsangeboten oder in Kontexten, in denen die informierte Entscheidung Vorrang vor dem hat, was Experten für richtig oder falsch halten. Interessant war die Einordnung sozialer Netzwerke in das Konzert der Informationsbörsen, weil hier Informationen primär auf der Basis persönlicher Glaubwürdigkeit ausgetauscht werden. Fachberichte mit ausführlichen Datentabellen, wie sie traditionell von Institutionen vorgelegt werden, finden daher nur indirekt Eingang in diese Netzwerke. Ausführlich wurden auf dem Workshop Wirksamkeit und Legitimität narrativer Formate diskutiert, das "story telling". Einerseits sind persönliche Erfahrungsberichte oft sehr überzeugend, nicht zuletzt in sozialen Netzwerken, andererseits sind sie selbst nicht Träger von Evidenz, sondern können diese bestenfalls veranschaulichen. Ein damit zusammenhängender Diskussionspunkt war der Blick auf die "Empfängerseite" von Informationen. Unter dem Stichwort "Health Literacy/Gesundheitskompetenz" erfährt diese in letzter Zeit vermehrt Aufmerksamkeit in der Forschung. Defizite in der Gesundheitskompetenz gäbe es allerdings, so wurde angemerkt, nicht nur in der Bevölkerung, sondern ebenso bei den Fachleuten, nicht zuletzt auch bei den Ärzten, die nach wie vor eine zentrale Rolle dabei spielen, Evidenz gegenüber Patienten zum Sprechen zu bringen.

Eine wichtige Frage, die im Workshop nur kurz angerissen werden konnte, dreht das Workshop-Thema um: Wie kommuniziert man eigentlich Unsicherheiten der Datenlage, d.h. fehlende Evidenzen – ein lohnendes Thema für ein nächstes Gespräch zwischen Gesundheitswissenschaft und Medien.

Beiträge lieferten

  • Dr. Dennis Ballwieser, Wort & Bild Verlag
  • Dr. Werner Bartens, Süddeutsche Zeitung
  • PD Dr. Cornelia Betsch, Universität Erfurt
  • Dr. Jan Böcken, Bertelsmann Stiftung
  • Bastian Hauck, Deutsche Diabetes Online Community
  • Dr. Klaus Koch, Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen
  • Dr. Joseph Kuhn, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  • Dr. Martina Pötschke-Langer, Deutsches Krebsforschungszentrum
  • Timo Thranberend, Bertelsmann Stiftung
  • Prof. Dr. Manfred Wildner, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  • Dr. Thomas Ziese, Robert Koch-Institut

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